Lymphpflanzen - Die Stiefkinder der Phytotherapie
- Sanja
- 11. März 2023
- 8 Min. Lesezeit
Phytotherapeutika für das Lymphsystem
Die Lymphe ist wenig bekannt, man könnte sagen, sie ist das Stiefkind im menschlichen Körper, auch in der Medizin und Pharmazie wird ihr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. So wissen viele Menschen gar nicht, wofür die Lymphe im Körper überhaupt zuständig ist. Dass das lymphatische System genauso wichtig ist wie der Blutkreislauf, das ist den wenigsten bewusst.

Was ist eigentlich die Lymphe?
Über das Blut wissen die meisten Bescheid, doch was ist eigentlich die Lymphe? Der Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: wasserklare Flüssigkeit bzw. klares Wasser. Und in der Tat, in den meisten Körperregionen ist die Lymphe wasserklar. Nur im Magen-Darmbereich ist sie milchig-weiss bis gelblich-weiss, da die Lymphe die Fettpartikel im Darm aufnimmt und abtransportiert, darum nennt man die Lymphflüssigkeit im Bauchbereich „Chylus“ (Milchsaft, Speisesaft, abgeleitet aus dem Griechischen von chylos = Saft). Thomas Mann bezeichnete die Lymphe in seinem Roman „Der Zauberberg“ als „Saft der Säfte“. Und da hat er nicht ganz Unrecht. Jeder weiss, wie wichtig das Blut für den menschlichen Körper ist, in Goethes „Faust“ ist es „der besondere Saft“. Doch warum gibt es neben dem Blut auch noch die Lymphe?
Ein Teil des Blutes, die so genannte lymphpflichtige Last, wird nicht über die Venen zurück transportiert, sondern über die Lymphgefässe. Die Lymphe entsteht, wenn aus den feinsten Blutgefässen, den Blutkapillaren, Gewebsflüssigkeit (Blutplasma) heraustritt und in die Zellzwischenräume gelangt, das so genannte Interstitium. Im Bereich der Blutkapillaren tritt das Blutplasma ins Gewebe, um die Zellen zu ernähren. In dieser Flüssigkeit befinden sich die für die Zellen wichtigen Nährstoffe sowie der überlebenswichtige Sauerstoff. Die Zellen nehmen die Stoffe aus der Gewebsflüssigkeit auf und geben wiederum Kohlendioxid sowie Stoffwechselprodukte und andere Abfallstoffe ab. Es kommt zu einen Stoffaustausch in den Zellzwischenräumen. Die Bluthaargefässe der Venen nehmen ca. 90 % der Gewebsflüssigkeit wieder auf (unter anderem das Kohlendioxid) und transportieren es wieder zurück zum Herzen und zur Lunge, womit sich der Blutkreislauf schliesst. Der Rest der Gewebeflüssigkeit wird zur Lymphe und geht in die initialen Lymphgefässe über, die wie ein Drainagerohr fungieren und die Flüssigkeit aufsaugen.

Was die Zellen nicht mehr brauchen und ausscheiden, nehmen die Lymphkapillaren auf und transportieren es ab. Zu Anfang ist die Lymphe genauso zusammengesetzt wie die Gewebsflüssigkeit, aus der sie sich bildet. Sie transportiert dann die 10 % der Gewebsflüssigkeit zurück, die die Venen nicht zurück transportieren können, was vor allem Eiweisse, Fette und Abfallstoffe (Zelltrümmer, Krankheiterreger, Chemikalien, usw.) sind.
Die Lymphe sammelt sich im Gewebe, gelangt über die Lymphkapillaren in die Lymphbahnen und fliesst dann schlussendlich in die zwei grossen Lymphstämme, den linken Milchbrustgang und in den rechtsseitigen Lymphstamm. Diese beiden Lymphstämme geben die Lymphflüssigkeit in das venöse System zurück. Der Brustlymphgang ist das grösste lymphatische Gefäss. Dieser vereinigt sich mit der Schlüsselbeinvene und führt so die Lymphe zurück in den Blutkreislauf. Pro Tag werden im Körper ca. 5 Liter Lymphflüssigkeit zurück transportiert, in den Lymphgefässen und Lymphknoten wird diese Flüssigkeit auf etwa 2 Liter reduziert und am Ende über die Schlüsselbeinvene in den Blutkreislauf wieder zurückgeleitet. Ohne dieses „Abwassersystem“ könnten wir nicht überleben. Denn aus den Blutkapillaren dringt ständig Gewebsflüssigkeit in die Zellzwischenräume.
Das Lymphsystem
Das Lymphsystem oder lymphatische System (lat. systema lymphaticum) erstreckt sich als weitverzweigtes Netz über den gesamten Körper, sogar bis ins Gehirn und besteht aus der Lymphflüssigkeit, den Lymphgefässen und den zwischengeschalteten Lymphknoten sowie den lymphatischen Organen wie Milz oder Thymusdrüse. Das Lymphgefässsystem durchzieht unseren ganzen Körper, wobei es in enger Nachbarschaft zum Blutgefässsystem verläuft, um so das überschüssige Gewebswasser, welches aus den Blutgefässen ausgetreten ist, wieder zurück zu transportieren. Des Weiteren ist das Lymphsystem Teil des Immunsystems und hat neben der Funktion der Entgiftung und körpereigenen Abwehr noch eine grosse Bedeutung für den Rücktransport grosser Moleküle wie Eiweisse und Fette.

Im Gegensatz zum Blutkreislauf ist das Lymphgefässsystem ein Halbkreislauf und wird nicht wie das Blut von einer Pumpe, dem Herzen, betrieben. Während das Herz der Motor des Blutkreislaufs ist, ist das Lymphgefässsystem eher wie eine Einbahnstrasse: sie wird aus der Flüssigkeit im Gewebe gebildet und fliesst in Richtung Herzen, wo sie in das Venensystem mündet. Was ist der Motor des Lymphkreislaufs? Die Lymphgefässe sind wie die Venen mit Klappen versehen, diese Gefässklappen sorgen dafür, dass die Lymphflüssigkeit nicht wieder zurückfliesst. Den Abschnitt zwischen zwei Klappen nennt man ein Lymphangion.
Jeder Abschnitt hat seinen eigenen Schrittmacher, die sogenannten kleinen Lymphherzen. Durch das Zusammenziehen wird die Lymphe mit rhythmischen Bewegungen von einem Angion zum nächsten gepumpt. Zusätzlich treibt aber auch die Muskeltätigkeit den Lymphfluss an. Wenn wir uns bewegen, wird die Muskelschicht in den Gefässwänden abwechselnd zusammengezogen und entspannt. Darum ist gerade Bewegung so wichtig, um die Lymphpumpen anzutreiben. Aber auch die Atmung sowie die naheliegenden pulsierenden Arterien unterstützen den Pumpmechanismus.
Welche Aufgaben hat das Lymphsystem?
Warum benötigt der menschliche Körper für den Stofftransport vom Herzen zu den Körperzellen nur ein System von Gefässen (Arterien), wohingegen es für den Rücktransport neben den Venen auch die Lymphgefässe gibt? Eine der wichtigsten Antworten dazu geben Ethel und Michael Földi in ihrem Standardwerk „Das Lymphödem“: „Die allerwichtigste Aufgabe des Lymphgefässsystems besteht in der Bewältigung der lymphpflichtigen Eiweisslast, in der Rückbeförderung des Eiweisses in die Blutbahn. Würde das Lymphsystem eines Menschen plötzlich aufhören zu funktionieren, so verlöre das Blut binnen eines Tages fast seinen gesamten Eiweissgehalt, und dieses Eiweiss häufte sich im Gewebe an. Dieses Eiweiss würde das ganze Blutwasser aus der Blutbahn zu sich hinaussaugen und in der Blutbahn blieben nur die Blutzellen zurück. Dies wäre der sichere Tod; die Todesursache bestünde in einem hypovolemischen Schock (Volumenmangelschock). Dabei käme es zu einem Kreislaufzusammenbruch infolge des Leerschlagens des Herzens.“ (Földi, Michael: Das Lymphödem. Vorbeugende Massnahmen und Behandlung. München 1999. S. 13)
Die Lymphe nimmt sowohl die Flüssigkeit als auch die Stoffe aus dem Gewebe auf, die nicht über die Venen abtransportiert werden können. Man nennt diese Stoffe, die über das Lymphsystem transportiert werden müssen, die lymphpflichtige Last. Dazu gehören vor allem der Rücktransport der Eiweisse und Fette. Nur die Lymphgefässe sind in der Lage, diese grossen Moleküle aus dem Gewebe aufzunehmen und dem Stoffwechsel zuzuführen. Zudem transportiert die Lymphe neben Lymphzellen auch andere weisse Blutkörperchen, Krankheitserreger, Fremdkörper oder Zellen, die aus dem Gewebe entfernt werden müssen. Als Müllabfuhr des Körpers befördern die Lymphgefässe diese Abfallstoffe zurück Richtung Herzen und entsorgen diese in den „Kläranagen des Körpers“, in den Lymphknoten. Das Lymphsystem ist daher ein wichtiger Teil der Immunabwehr und der Entgiftung. Die Reste der zerstörten Schadstoffe werden ins venöse Blut abgegeben und letztlich über unsere Entgiftungsorgane Leber und Nieren ausgeschieden.
Lympherkrankungen
Erkrankungen der Lymphgefässe führen meist zu einer sichtbaren Flüssigkeitsansammlung im Gewebe, dem sogenannten Lymphödem. Die Gewebsflüssigkeit kann nicht mehr richtig abfliessen und eine Schwellung (Ödem) ist die Folge, besonders betroffen davon sind meist Arme oder Beine, es gibt aber auch Ödeme an anderen Stellen des Körpers wie Bauch, Brust, Genitalien oder Kopf. Lymphödeme sind entweder angeboren (primäres Lymphöden) oder sie sind die Folge äusserer Einflüsse (sekundäres Lymphödem) wie Infektionen, Entzündungen oder operative Eingriffe. So leiden viele Frauen nach Behandlung eines Brustkrebses später oft an einem Lymphödem, da ihnen bei der Brustoperation auch die Lymphknoten entfernt wurden. Denn bei der Entfernung von Lymphknoten werden nicht selten auch die Lymphbahnen durchtrennt. So kommt es zu einem Lymphstau im Gewebe, da die Lymphe nicht mehr richtig abtransportiert wird. Durch die Ansammlung von Flüssigkeit und Eiweissen kommt es mit Fortschreiten der Krankheit zu Gewebsveränderungen, die zu einer Fibrosierung (Bindegewebsvermehrung) und Sklerosierung (Gewebeverhärtung) führen. Das Lymphödem ist wie eine grosse Wunde, in dem kranken Gewebe sind die Körperabwehrmechanismen meist geschwächt, wodurch das Risiko für bakterielle Infektionen der oberen Hautschichten (Erysipel) ansteigt. Solche Entzündungen belasten die Lymphgefässe zusätzlich.
Ist der Lymphfluss aufgrund angeborener oder sekundärer Ursachen beeinträchtigt, kann sich das auch durch eine erhöhte Infektanfälligkeit auswirken. Ein schwaches Immunsystem ist oft ein Indikator für eine Schwächte oder Störung im lymphatischen System. In diesem Fall arbeitet das Lymphsystem permanent auf Hochtouren, ohne jedoch die Erreger bekämpfen zu können, was zu ständig geschwollenen Schleimhäuten und Lymphknoten führt. Auch Menschen mit einem schwachen Immunsystem können davon profitieren, wenn man das Lymphsystem anregt.
Primäre Lymphödeme sind sehr selten, nur etwa ein bis zehn Prozent aller Lymphödeme sind angeboren, zeigen sich aber meist nicht sofort nach der Geburt. Infolge defekter Gene kommt es zu einer gestörten Entwicklung der Lymphgefässe, was im Laufe des Lebens zu einem Lymphödem führt. Solche Gendefekte können vererbbar sein oder aber sie können bei Einzelpersonen durch Genmutation spontan entstehen. Je nachdem wie stark die Transportkapazität der missgebildeten Lymphgefässe eingeschränkt ist, tritt das Lymphödem früher oder später im Leben auf. In den meisten Fällen treten primäre Lymphödeme in der Pubertät auf oder nach dem 20. Lebensjahr und sind in vielen Fällen nur einseitig. Vor allem Frauen sind von dieser Krankheit betroffen, man schätzt dass in Deutschland ca. 40.000 Menschen von dieser Erkrankung betroffen sind. In der Schweiz sind es offiziellen Schätzungen zufolge 80 Personen, die Lymphödem Vereinigung Schweiz geht aber von einer deutlich höheren Anzahl aus. Sekundäre Lymphödeme kommen dagegen deutlich häufiger vor als angeborene. Sie entwickeln sich zunächst dort, wo die Schädigung (Operation, Bestrahlung oder Infektion) der Lymphgefässe stattgefunden hat und breiten sich in Folge bis in die Gliedmassen aus.
Wie kann man das Lymphsystem stärken?
Die komplexe physikalische Entstauungstherapie, kurz KPE, ist die Basistherapie bei der Behandlung eines Lymphödems und besteht aus fünf Säulen: Hautpflege, manuelle Lymphdrainage, das Tragen medizinischer Kompressionsstrümpfe, Bewegung (zur Aktivierung der Lymphherzen) und Selbstmanagement. Meiner Meinung nach sind es sieben Säulen, da ich noch die Atemtherapie dazu zähle sowie eine ausgewogene Ernährung. Generell wird bei der KPE zwischen Intensiv- und Erhaltungsphasen unterschieden: In einer drei- bis vierwöchigen Intensivphase wird die tägliche Lymphdrainage (oft 2 x täglich) mit Kompressionsverbänden und gymnastischen Entstauungsübungen kombiniert. In der Erhaltungsphase wird täglich ein Kompressionsstrumpf getragen, teilweise auch nachts (ein medizinischer Schlafstrumpf), damit der Status des Ödems erhalten werden kann. Individuell wird das Ödem wöchentlich ein bis zweimal oder, je nach Ödemstärke, in grösseren Abständen mit Hilfe der manuellen Lymphdrainage therapiert.
In der Schulmedizin sind bis heute keine Medikamente bekannt bzw. im Einsatz, die zu einer Reduktion des Ödems führen. Patienten sollten wissen, dass vor allem die Einnahme von Entwässerungsmitteln (Diuretika) kontraproduktiv sind. Diuretika entziehen dem Gewebe zwar Wasser, die Eiweisse hingegen verbleiben jedoch weiterhin im Gewebe. Proteine aber haben eine Sogwirkung, saugen in der Folge noch mehr Wasser an und verschlimmern dadurch das Lymphödem. Bei der Behandlung von Lympherkrankungen gibt es bisher in der Schulmedizin keine Arzneimittel, was vielleicht auch an der Tatsache liegt, dass Lymphödeme so selten sind und deswegen für die Pharmabranche nicht von Interesse sind, zudem führt die Lymphe generell ein Schattendasein in der Medizin.
Phytotherapeutika für die Lymphe
Wenn es keine synthetischen Arzneimittel gibt, gibt es vielleicht pflanzliche Heilmittel, die zur Abschwellung eines Lymphödems führen? Und tatsächlich, es gibt viele Phytotherapeutika, die bei Lympherkrankungen Heilwirkung haben. Die wichtigsten Heilpflanzen für die Lymphe sind meiner Meinung nach die folgenden drei Kardinalpflanzen oder besser gesagt die „Lymphpflanzen“:
Gelber/Echter Steinklee (Melilotus officinalis)
Ringelblume (Calendula officinalis)
Stinkender Storchschnabel/Ruprechtskraut (Geranium robertianum)
Daneben gibt es noch eine grosse Anzahl an Pflanzen, die eine heilende Wirkung auf das Lymphsystem haben und die sowohl in der rationalen Phytotherapie als auch in der Erfahrungsheilkunde zum Einsatz kommen:
Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense)
Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa)
Bromelain aus der Ananas (Bromelainum comosus)
Eberraute/Cola Kraut (Artemisia abrotanum)
Echte Engelwurz (Angelica archangelica)
Verschiedene Labkräuter-Arten (Galium) wie Wiesen-Labkraut (Galium mollugo), Echtes Labkraut (Galium verum), Kletten-Labkraut (Galium aparine) oder Wohlriechendes Labkraut, besser bekannt als Waldmeister (Galium odoratum)
Mäusedorn (Ruscus aculeatus)
Rosskastanie (Aesculus hippocastanum)
Vogelbeere/Eberesche (Sorbus aucuparia)
Walnuss (Juglans regia)
Zudem sollte man bei jeder Behandlung einer Lympherkrankung begleitend auch den Körper entgiften und das nicht nur über die Lymphe sondern auch über den Darm, die Leber oder die Nieren. Auf diese Weise wird das Lymphsystem entlastet und die lymphpflichtige Last verringert. Begleitend können folgende Pflanzen zur Entgiftung in den Therapieplan eingebaut werden:
Brennnessel (Urtica dioica)
Birke (Betula pendula)
Gänseblümchen (Bellis perennis)
Gundelrebe/Gundermann (Glechoma hederacea)
Echte Goldrute (Solidago virgaurea)
Mariendistel (Silybum marianum)
Schafgarbe (Achillea millefolium)
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